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Allgemein

Nachruf

Roland Ritter (13. Juli 1954 – 30. Mai 2024)

Als die Mauer gebaut wurde, war Roland Ritter sieben Jahre alt. Damals, 1961, wohnte er in Gotha in der DDR bei seinen Pflegeeltern. Roland Ritter mochte die beiden, aber er vermisste seine leibliche Mutter, die seit 1957 in der Bundesrepublik lebte. Durch den Mauerbau hatte er nun keine Chance mehr, zu ihr zu gelangen. Als Christ versuchte Roland Ritter, so gut es ging, sich aus dem politischen Leben in der DDR herauszuhalten. Er machte Konfirmation und eine Schlosserlehre und träumte von einem Leben im Westen.

Nachdem sein 1971 gestellter Ausreiseantrag abgelehnt wurde, versuchte er zu fliehen: im Interzonenzug in Richtung Frankfurt am Main. Doch am Bahnhof Gerstungen entdeckten Grenzer sein Versteck im Zug, und Roland Ritter wurde mit vorgehaltener Maschinenpistole abgeführt. Auf die U-Haft in Gotha folgte die Verurteilung zu 18 Monaten wegen ›versuchter Republikflucht‹. Roland Ritter wurde nach Erfurt in die Andreasstraße gebracht und dann ins Gefängnis nach Naumburg, wo schlimme Zustände herrschten und er Zwangsarbeit leisten musste. Als Roland Ritters Pflegemutter starb, verweigerte man ihm die Teilnahme an der Trauerfeier.

Nach seiner Freilassung im Oktober 1974 lebte Roland Ritter wieder in Gotha. Als am 9. November 1989 die Grenze zwischen Ost und West fiel, setzte sich Roland Ritter am andern Tag auf sein Motorrad und fuhr hinüber in die Bundesrepublik. »Einfach nur Wahnsinn!«, sei das gewesen, erzählte er uns. Zu Weihnachten 1989 sah er dann seine leibliche Mutter erstmals wieder. Später engagierte sich Roland Ritter als Zeitzeuge im Förderverein der Gedenkstätte Andreasstraße und war, gemeinsam mit seiner Frau Kornelia, ein treuer Besucher unserer Veranstaltungen. Am 30. Mai 2024 starb Roland Ritter nach schwerer Krankheit in Erfurt, wenige Wochen vor seinem 70. Geburtstag. Wir vermissen ihn und werden ihn und seine Geschichte nicht vergessen.

Das Team der Stiftung Ettersberg / Gedenkstätte Andreasstraße

Roland Ritters Geschichte konnten wir in einem Videointerview festhalten. Seine Erzählung bleibt damit fester Bestandteil der Gedenkstätte Andreasstraße.